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Gesprächsrunde zum Thema: „Hilfe zur Selbsttötung“

Im Rahmen seiner Info-Veranstaltungen „Wissen, was bewegt!“ organisierte der Verein zur Unterstützung MS-Kranker e.V. aus Büchenbach eine kleine Talkrunde zu dem heiklen Thema „Assistierter Suizid“.

Unter Moderation vom zweiten Vorstand Roland Dressel antworteten die Seniorenbeauftragte der Gemeinde Büchenbach Ariane Winter, der Pfarrer der evangelischen Gemeinde Mario Ertel und der seit fast 40 Jahren im Ort tätige Hausarzt Dr. Hans-Jörg Wiedemann, zugleich erster Vorstand des MS-Vereines auf ausgewählte Fragen zum Thema.

Alle drei bestätigen, dass der Gesetzgeber gewisse Rahmenbedingungen vorgeben muss, um für alle Beteiligten (Betroffene und Helfer) Rechtssicherheit zu gewähren. Dr. Wiedemann vermisst bei der aufgeregten Debatte und den im Bundesrat vorliegenden Vorentwürfen die hausärztliche Expertise. Er verweist dabei auf die sinnvollen Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten.

Mario Ertel erklärt, dass sich die Einstellung der Kirche zur Selbsttötung seit dem Mittelalter bis zur heutigen Zeit glücklicherweise gewaltig geändert hat. Kein Verzweifelter, kein Mensch ohne weitere Hoffnung, kein Ausgegrenzter muss alleine mit seiner Not bleiben und kann sich vertrauensvoll an ihn wenden.

Ariane Winter bringt alle möglichen Hilfsangebote von den überörtlichen Institutionen wie BRK, Caritas, Diakonie ins Gespräch. Sie zählt Hospiz und Palliativ Care, den sozialpsychiatrischen Dienst, die Pflegestützpunkte, die Nachbarschaftshilfe auf und weist auf Angebote der Krankenkassen und natürlich der Hausärzte hin.

Denn dass sich nicht nur schwer und unheilbar Kranke den Tod wünschen, sondern häufiger Menschen, die Angst haben ein Pflegefall zu werden, die Angst haben, ihre Selbstbestimmung zu verlieren, die Angst haben, anderen zur Last zu fallen, ist ein deutliches Zeichen auf gesellschaftliche Defizite (Stichwort Pflegenotstand und Wegwerfkultur). Das heißt, dass vorhandene Strukturen eher ausgebaut werden müssten als dass aus wirtschaftlichen und zunehmend personellen Gründen weiterer Abbau geschieht. Alle drei Diskutanten wollen nicht in einer Gesellschaft leben, wo der Mensch selbst zur Ware wird und nach Gebrauch (kein „Nutzen“ mehr für die Gesellschaft) achtlos beiseitegeschoben werden kann. Denn eine menschliche Gesellschaft sieht Schönheit und Würde auch dort, wo es keine Funktion, keinen Nutzen bringt: z.B. in einem Menschen mit schwerer Behinderung; in einem alten, unheilbar Kranken; im ungewollten, ungeborenen Leben; im gesellschaftlich Marginalisierten; Im schuldig Gewordenen im Gefängnis oder in denen, die es eben nicht schaffen, die „nichts bringen“.

Alle Teilnehmer an der Gesprächsrunde waren sich einig, dass vor so wichtigen Entscheidungen immer gewisse Angebote bzw. Kontakte gewährleistet sein müssen, ohne die Hürden allzu hoch zu setzen. Und das Ganze immer unter dem Gesichtspunkt der Freiverantwortlichkeit und Selbstbestimmung jedes Einzelnen.

Dr. Wiedemann erzählte noch von einem jungen Mann, der sich von seinem Vater in die Schweiz fahren ließ, weil er nicht mehr „dahinvegetieren“ wollte. Trotz langer und intensiver Gespräche konnte er es dem Betroffenen nicht ausreden und schließlich seinen festen Entschluss auch akzeptieren. Allerdings habe er immer ein ungutes Gefühl, wenn wir Menschen GOTT spielen wollen.

Hier können Sie sich das zugehörige Video ansehen

01. März 2023